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Stellungnahme des VCD zum Nahverkehrsplan 2008

Der VCD-Kreisverband Esslingen gab eine Stellungnahme zum Entwurf der Fortschreibung des Nahverkehrsplanes für den Kreis Esslingen an.

Den Text der Stellungnahme stellen wir als PDF bereit.

Stellungnahme des VCD Esslingen

1) Veränderung des modal split zugunsten des ÖPNV

Nach Auffassung des VCD sollte es das oberste Ziel des Nahverkehrsplans (NVP) sein, eine Veränderung des modal split zugunsten des ÖPNV zu erreichen. Eine Beschränkung auf den bloßen Erhalt des status quo würde diesem verkehrspolitischen Ziel, das besonders angesichts des bedrohlichen Klimawandels und der aktuellen Feinstaubproblematik dringend geboten ist, nicht gerecht. Die Formulierungen in Kapitel 4.1.1 und 4.1.4 erscheinen uns hier zu unverbindlich und teilweise unter Berufung auf den Kostenfaktor außer Kraft gesetzt.

Zum Beispiel steht der Feststellung, dass es noch ein größeres Marktpotential im Freizeitverkehr gibt, kein konkretes Maßnahmenbündel gegenüber. Hier sind im NVP-Entwurf lediglich die traditionellen Fahrplan-Ausdünnungen in der Nebenverkehrszeit zu finden. In diesem Zusammenhang ist auch unbedingt das Thema der Fahrradbeförderung in die Naherholungsgebiete im Kreis, z.B. auf die Schwäbische Alb, ausführlich zu behandeln.

Der VCD hält es für notwendig, die Steigerung des ÖPNV-Anteils an der Gesamtmobilität als oberstes Ziel durchgängig im NVP zu verankern und aufzuzeigen, wie das Ziel über die bloße Erhaltung des status quo hinaus erreicht werden kann.

2) Mittel- und langfristige Projekte

Der NVP sollte unserer Meinung nach nicht nur kurzfristig zu verwirklichende Maßnahmen enthalten, sondern auch mittel- und langfristige Projekte, die dem Ziel eines steigenden ÖPNV-Anteils dienen. Die im ersten NVP von 1999 enthaltenen Maßnahmen, die bisher nicht verwirklicht wurden, sollten nur entfallen, wenn es dafür eine Begründung gibt, die für die Erreichung des Hauptziels nicht relevant ist. Viele Vorhaben mögen unter den aktuellen Bedingungen für die Finanzierung des ÖPNV nicht umsetzbar sein, was sich jedoch unter dem Eindruck der weltweiten Energie- und Klimaproblematik schnell ändern kann.

Der VCD bittet darum, in der Fortschreibung des NVP alle nicht umgesetzten Maßnahmen des ersten NVP aufzulisten und eine Begründung für die Streichung des jeweiligen Vorhabens anzugeben, sofern diese vorgesehen ist.

3) Kundenfreundlichkeit und Automaten

Bei dem inzwischen überwiegend schaffnerlosen Schienenverkehr sollte der Zugang besonders für Menschen, die wegen Behinderungen oder Verständnisproblemen die modernen Automaten nicht bedienen können, nicht weiter erschwert werden.

Der VCD empfiehlt, im NVP den Bestand der verbliebenen DB-Verkaufsstellen an den Bahnhöfen der Mittelstädte zu sichern oder den Fahrkartenverkauf in neu zu errichtende Mobilitätszentralen an zentralen Umsteigepunkten des ÖPNV zu integrieren. Es sollten im NVP kundenfreundliche Öffnungszeiten vorgegeben werden, auch an Wochenenden und Feiertagen.

4) Kurzstreckentarif und Ortsbusse

Durch die derzeitige Beschränkung des Kurzstreckentarifs auf eine Fahrtstrecke von drei Haltestellen sind insbesondere Fahrgäste in Gemeinden mit Ortsbussen, die typischerweise eine sehr kurze Haltestellenfolge haben, benachteiligt.

Der VCD schlägt vor, dass - sofern der Kurzstreckentarif nicht grundsätzlich geändert werden kann - einzelnen Gemeinden grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt wird, für ihren Ort einen subventionierten Ortstarif innerhalb des VVS-Tarifs anzubieten, wie dies zum Beispiel in Gerlingen bei der Mehrfahrtenkarte der Fall ist.

5) Berufspendler und Schüler

Gemäß der Verkehrsprognose in der Fortschreibung des NVP ist zwar ein Rückgang der Berufspendler und Schüler zu erwarten, jedoch sollte der NVP auch folgende Faktoren berücksichtigen:

  • Durch mehr Ganztagsschul-Angebote und die Auflösung der Hauptschulbezirke kommt es vermutlich zu Mehrverkehren. Außerdem werden sich voraussichtlich die Zeiten der Fahrten von der/ zur Schule verschieben.
  • Vermehrte Teilzeitarbeit, verlängerte Ladenöffnungszeiten und Teilarbeit zu Hause werden ebenfalls zu Verschiebungen führen.
  • Im Zuge einer veränderten Altersstruktur werden verstärkt Nicht-Erwerbstätige den ÖPNV nutzen und die morgendlichen Verkehrsspitzen mittelfristig deutlich abnehmen.

Der VCD hält es für erforderlich, die Bedienung während des „Vormittagslochs“, am späten Nachmittag und Abend für die neuen Kundengruppen auszubauen und die Maßzahlen für die Mindestbedienungshäufigkeit entsprechend anzupassen.

6) Strukturelle Vorgaben und Optimierung der Busverkehre

Viele Verkehrsverbindungen sind historisch gewachsen und das Festhalten an strukturellen Vorgaben wie Linienkonzessionen verhindert bisher eine Anpassung an veränderte Gegebenheiten und die Vermeidung von Parallelverkehren. Esslingen und Wernau haben sich beispielsweise in den letzten Jahren von externen Gutachtern hinsichtlich der Optimierung ihrer Busverkehre beraten lassen und es wurden erste Erfolge erzielt.

Der VCD schlägt vor, dass alle Städte und Gemeinden im Kreis Gutachter beauftragen, um die Optimierung der Busverkehre zu prüfen. Ziel muss es sein, durch die Einsparung von ineffizient genutzten Fahrplankilometern anderweitig bessere Angebote zu schaffen. Zum Beispiel wäre zu prüfen, ob statt der Busline 140, die von Esslingen nach Plochingen parallel zur S-Bahn verkehrt, nicht sinnvoller ein Ortsbus die Gemeinden Altbach, Deizisau und Plochingen besser bedient und mit der S-Bahn verbindet.

7) Umsteigeverbindungen

In den Gutachten sollten auch die Umsteigeverbindungen auf den Prüfstand gestellt werden. Viele Fahrgäste nutzen nur Direktverbindungen, da das Umsteigen oft unkomfortabel und die Anschlüsse nicht garantiert sind.

Der VCD empfiehlt, alle Umsteigepunkte hinsichtlich kurzer Wege und Anschlusssicherung erheblich zu verbessern. Dabei sollte auch die Einrichtung neuer, bisher nicht existierender Knoten untersucht werden, zum Beispiel an den Bahnhöfen Oberesslingen (Verknüpfung mit den Linien 106 und 114 auf den Schurwald und nach Berkheim und Ostfildern) oder Wendlingen (Anschluss nach Köngen).

8) ÖPNV-Sackgassen und Tangentiallinien

Ein großes Problem sind aus Sicht des VCD die „ÖPNV-Sackgassen“. Weil die Linien sternförmig von den Ober- und Mittelzentren ausgehen und Tangentiallinien fehlen, erfordert beispielsweise eine Fahrt von Hohengehren nach Schorndorf riesige Umwege, von Denkendorf nach Köngen gilt dasselbe. Auch von Esslingen-Berkheim (Festo) nach Ostfildern- Nellingen (Stadtbahn) gibt es keine direkte Busverbindung. Die Einrichtung und starke Annahme der Buslinie 122 zeigt, wie erfolgreich Tangentiallinien sein können. Deshalb sollte auf diese ein starkes Augenmerk gerichtet werden. Dabei sollten auch Ziele außerhalb des VVS berücksichtigt werden, denkbar scheint zum Beispiel eine Verbindung von Kirchheim über Weilheim und Boll nach Göppingen. Ein „Schurwaldbus“ vom Neckar- ins Remstal könnte S1 und S2 tangential verbinden. Anders als im Entwurf des NVP (S. 84) dargestellt, bewertet der VCD die Verbindung über Bad Cannstatt besonders für den Freizeitverkehr am Wochenende wegen ungünstiger Umsteigezeiten als mangelhaft. Eine direkte Schienenverbindung Plochingen-Ludwigsburg unter Umgehung des Hauptbahnhofes könnte ebenfalls von Interesse sein. Tangentiallinien könnten zu einer Entlastung des Stuttgarter Zentrums führen, was wegen der vorgesehen Bauarbeiten am Stuttgarter Hauptbahnhof besonders geboten scheint.

Der VCD bittet darum, dass alle Planungen, die dazu dienen können, die aufgezeigten Tangentialverbindungen zu verbessern, im NVP aufgenommen werden.

9) Qualität der Infrastruktur

Neben der Taktdichte ist für den Fahrgast die Qualität der Infrastruktur entscheidend. Der NVP-Entwurf macht dazu schon weitreichende Vorgaben (Kapitel 6.1).

Darüber hinaus hält es der VCD für erforderlich,

  • die Haltestellen mit Wartehallen und beleuchteten Info-Tafeln auszustatten,
  • Vorrang für umweltfreundliche Antriebsarten: Elektro-Antrieb (O-Bus), Hybridantriebe, Gaskonzepte, schwefelarme Diesel mit Partikelfilter
  • unter bestimmten Bedingungen die Fahrradmitnahme in Bussen zu ermöglichen und die Inneneinrichtung der Busse entsprechend anzupassen

10) CarSharing als Ergänzung

CarSharing ergänzt als "öffentliches Auto" den ÖPNV idealerweise in den Fällen, wo dieser nicht geeignet oder nicht wirtschaftlich zu betreiben ist. In Bremen beispielsweise haben sich "Mobilpunkte", an denen der ÖPNV mit dem Radverkehr und dem CarSharing verknüpft ist, bewährt.

Der VCD fordert, dass die Planung von CarSharing-Stationen im Verbund mit dem ÖPNV in den NVP aufgenommen wird.

11) Öffentlichkeitsarbeit

Für die Bekanntheit des ÖPNV und ein gutes Image ist eine intensive Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinden und Verkehrsunternehmen unverzichtbar. Man muss immer wieder zeigen, dass man eine gute Leistung erbringt und Subventionen durch die öffentliche Hand gerechtfertigt sind. Nicht nur ein gutes Beschwerdemanagement dient der Popularität des ÖPNV, sondern es ist weit darüber hinausgehend die öffentliche Information und Einbeziehung der potentiellen ÖV-Nutzer erforderlich. Dazu gehören lokale Fahrplaninformationen, wie zum Beispiel das in Reichenbach/Fils verteilte Taschenfahrplänchen genauso wie lokale Fahrgastbeiräte und die Bekanntmachung von ÖPNV-Planungen. Als Beispiel sei hier Schaffhausen genannt, wo anlässlich der Diskussionen um den dortigen O-Bus auf der Homepage der Verkehrsbetriebe das zu Grunde liegende Gutachten im vollen Wortlaut und eine Pressemitteilung dazu eingestellt wurden.

Der VCD bittet, die Verpflichtung zu regelmäßiger Öffentlichkeitsarbeit im umfassenden Sinne in den NVP aufzunehmen.

12) Neubaugebiete

Immer noch werden neue Baugebiete abseits der Hauptachsen des ÖPNV erschlossen. Ein unrühmliches Beispiel ist das Neubaugebiet "Egert" in Esslingen-Zell. Im Entwurf des NVP (S. 83) wird die Verlängerung der Buslinie 102/103 gefordert. Wegen verschiedener "Äste" dieser Linie wäre eine Verschlechterung an anderer Stelle unvermeidbar. Das gleiche Problem ergibt sich für die Linien 74 und 120, sofern sie eine Schleife in das Neubaugebiet "Hardter Straße" in Wolfschlugen fahren müssten (S. 95).

Der VCD spricht sich dagegen aus, dass zu Lasten eines bestehenden guten ÖPNV-Angebots neue Siedlungen mit dem Bus angefahren werden, die wissentlich abseits des ÖPNV geplant wurden. Für den Anschluss des "Egert" in Esslingen-Zell halten wir ein anderes Konzept für erforderlich, ebenso für das Gebiet "Hardter Straße Süd" in Wolfschlugen.

13) Abend- und Wochenendverkehr

Die Stadt Esslingen hat einen sehr gut ausgebauten ÖPNV und dementsprechend beim modal split einen ÖV-Anteil von über 20%. Zu dieser Nachfrage passt es nicht, dass abends nach 21:00 Uhr und an Wochenenden auf einigen wichtigen Linien kein 30-Minuten-Takt angeboten wird, so zum Beispiel auf der Linie 109, die vier abgelegene Stadtteile mit zusammen 8.800 Einwohnern erschließt.

Der VCD setzt sich dafür ein, dass im Stadtverkehr Esslingen am späten Abend und an Wochenenden und Feiertagen einheitlich für alle Linien, die im Berufsverkehr im 15-Minuten-Takt verkehren, ein Halbstundentakt bis Mitternacht festgelegt wird.

Weblinks zum Nahverkehrsplan 2008

Hintergründe

Die Ziele und Verfahrensweise von Nahverkehrsplänen sind im Gesetz über die Planung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNVG) geregelt.