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ESSLINGEN: An der Rampe des Pliensaustegs scheiden sich die Geister

Wenn Stadtplaner Wolfgang Ratzer vom neuen Pliensausteg berichtet, kommt er ins Schwärmen: "Eine luftige und duftige Architektur." Die überzeugte gestern auch die Mitglieder des Ausschusses für Technik und Umwelt. Außer den Grünen akzeptierten alle, dass die Rampe Richtung Bahnhof eine Steigung von zehn Prozent haben wird. Dafür wird der Aufzugkorb größer.

Von Dagmar Weinberg

Als die Stadtverwaltung dem Ausschuss für Technik und Umwelt Mitte April die Pläne für die Nordrampe des Pliensaustegs - also den Anschluss der Brücke an den Bahnhofplatz und die Innenstadt - vorlegte, stieß allen Fraktionen die Steigung von zehn Prozent sauer auf. Deshalb baten sie die Verwaltung, noch einmal zu prüfen, ob und wie sich die Steigung reduzieren lasse. Wolfgang Ratzer vom Stadtplanungs- und Stadtmessungsamt hat gemessen und gerechnet.

Am Ende stand die Erkenntnis, dass eine Rampe mit sechs Prozent Neigung 95 Meter lang wird. "Die Rampe würde damit 40 Meter länger und somit wäre die Zufahrt zum Hof zwischen den Gebäuden Neckarstraße 7 und 9 nicht mehr möglich", machte er den Mitgliedern des Ausschusses für Technik und Umwelt klar. Auf diese Zufahrt kann die Feuerwehr aber im Ernstfall nicht verzichten.

Zufahrt für die Feuerwehr

Auch eine "Verwendelung" oder ein Abknicken der Rampe sei nicht möglich. "Dadurch kämen wir zu nah an die Gebäude in der Neckarstraße", erläuterte der Stadtplaner. Damit auch "schwächere Fahrradfahrer" den Weg auf den Pliensausteg bewältigen können, schlug er vor, den Aufzug so zu dimensionieren, dass pro Fahrt zwei Radler und ihre Gefährte darin Platz finden. Die Baukosten würden sich um rund 15 000 Euro erhöhen.

"Aufgrund der Gegebenheiten können wir nicht mehr tun. Denn wir können mit der Rampe ja nicht immer länger werden", meinte Ernst Mauz (CDU) und signalisierte ebenso Zustimmung wie die Freien Wähler. Zwar bekannte Heidi Bär (SPD), dass sie mit dieser Lösung "nicht glücklich" ist. "Wenn ich hier höre, dass öffentliche Aufzüge immer wieder stehen, macht mich das sehr skeptisch." Ihr Fraktionskollege Andreas Koch hielt die Lösung aber für "akzeptabel".

Da waren die Grünen-Stadträtinnen Clarissa de Ponte und Carmen Tittel anderer Meinung. "Es geht uns nicht um Fahrradfahrer, sondern um Behinderte, die eine Steigung von zehn Prozent nicht alleine bewältigen können", machte Clarissa de Ponte deutlich. "Wir sind schließlich gesetzlich verpflichtet, barrierefrei zu bauen." Dem werde durch den Einbau eines Aufzugs Rechnung getragen, stellte der Erste Bürgermeister Wilfried Wallbrecht klar.

"Rampe abknicken"

Doch Clarissa de Ponte gab nicht auf: "Auch dieser Aufzug wird oft stehen, und so bleibt uns nichts anderes übrig, als die Rampe abzuknicken und dadurch die Steigung zu verringern." Natürlich sei es prinzipiell möglich, eine Rampe mit weniger Gefälle zu bauen, räumte Wolfgang Ratzer ein. "Aber dazu müssten wir ein völlig neues Bauwerk konstruieren. Und diese Zeit haben wir nicht mehr."

Quelle: Eßlinger Zeitung vom EZ 14. Juli 2005


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Kommentar

Von Dagmar Weinberg

Die Pliensaubrücke ist nicht nur eine historisch wichtige Verbindung in die Esslinger Innenstadt. Bis heute ist sie die am meisten frequentierte Fußgängerquerung über den Neckar. Für die Pliensauvorstadt - immerhin ein Stadtteil mit rund 6000 Bewohnern - ist die Brücke gar die Nabelschnur zur Innenstadt. Dass die nun nach dem Abriss der Eisenbahnbrücke gekappt ist und die Vorstädter geraume Zeit Umwege in Kauf nehmen müssen, lässt sich nicht umgehen. Und am Ende wird ihre Geduld mit einem neuen, wesentlich komfortableren Steg zwischen Pliensauturm und Fußgängerzone belohnt: Ein Unfallschwerpunkt wird entschärft und Behinderten und Eltern mit Kinderwagen dank eines Aufzugs der Übergang erleichtert.

Kritisch beäugten die Gemeinderatsfraktionen, der Bürgerausschuss Pliensauvorstadt und die Radfahrer-Lobby aber die steile Rampe Richtung Bahnhof, die angesichts einer Steigung von zehn Prozent "schwächere Radfahrer" ins Schwitzen bringen würde.

Den grünen Gemeinderäten und dem Bürgerausschuss machen aber weniger die Radler als vielmehr die Rollstuhlfahrer Sorgen. Damit sie die Rampe aus eigener Kraft bewältigen können, darf sie maximal sechs Prozent Gefälle haben. Der Verweis der Stadtverwaltung, durch den Aufzug werde man auch den gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit gerecht, ist zwar richtig - im Alltag aber wenig hilfreich. Können die Betreiber und Benutzer öffentlicher Aufzüge doch ein Lied davon singen, wie oft Vandalen die freie Fahrt nach oben stoppen. So war es durchaus berechtigt, dass die Grünen-Stadträtin Clarissa de Ponte, übrigens selbst Architektin, gestern in der Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt nicht locker ließ. Sie forderte, die Steigung durch den Einbau einer Kehre zu reduzieren. "Kein Platz", hieß es von Seiten der Stadtplaner, die am Ende eingestehen mussten, dass man das Problem nur mit einem völlig anders konstruierten Bauwerk lösen könnte. Für Neuplanungen fehlt jetzt aber die Zeit. Da der neue Steg die Planer nicht erst seit gestern beschäftigt, müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, der "luftigen Architektur" erlegen zu sein. Die Funktionalität haben sie dabei aber aus den Augen verloren.

Quelle: Eßlinger Zeitung vom 14. Juli 2005